Was ist Deine Vorstellung vom Paradies?
mit dieser Frage setzen sich 20 großformatige Fotografien im Schlosspark auf dem Schwanberg auseinander. Am Samstag, 30. Juni 2018, wird die Ausstellung im Rahmen der Gartenzeichen Kitzinger Land eröffnet. Unter dem Motto „Garten Eden - Paradise lost" werden dort Fotografien gezeigt, die sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen. Im Rahmen einer Ausschreibung wurden Fotografen deutschlandweit dazu aufgerufen, sich dem Thema Paradies aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Eine Fachjury hat aus den 140 Einsendungen 20 Fotografien ausgewählt, die als großformatiger Foto-Parcours im Schlosspark gezeigt werden.
Der von Alexander Graf zu Faber-Castell angelegte Schlosspark ist schließlich ein bedeu- tendes Zeugnis der Gartenkunst des letzten Jahrhunderts und somit der passende Rah-men für diese Ausstellung im Gartenzeichen-Jahr.
Text: https://www.kitzingen.de/buergerservice/aktuellespressebereich/aktuelles-2018/
garten-eden-paradise-lost-foto-parcours-auf-dem-schwanberg/
Die prämierten Fotos wurden während der Vernissage am 30. Juni 2018
im öffentlich zugänglichen Schloßpark Schwanberg abfotografiert.
Die Rechte an den Fotos liegen bei den Fotografinnen und Fotografen !!!
Die Texte stammen von den Künstlerinnen und Künstlern selbst
und sind daher sehr persönliche und individuelle
Betrachtungen.
Die Fotos werden in der Reihenfolge, wie im Begleitheft festgelegt, gezeigt.
1 | Losgelöst
Arcaschon, Dune du Pilat
Paradies - durchatmen, Spaß haben, einfach abheben, alles Schwere zurück
lassen, frei sein: Nimm Anlauf stürz dich bauchüber ins Abenteuer, schalte
den Kopf aus, vertraue auf deine Kraft, deinen Mut, deinen Mut am Leben.
Margit Hampl aus Augsburg, Rentnerin
2 | Epiphanie
Gnadenkapelle Altenburg
Das Paradies geht früh verloren. Alles paradiesische liegt im vollkommenen
Sich-Aufgeben, der Kehrseite des Ganz-bei-sich-Seins. So mit dem Gegenwär-
tigen verschmolzen, Vergangenes und Zukünftiges, gelebt und bevorstehende
Anfechtungen aus dem Empfinden verschwunden, heißt im Paradies sein.
Nur im Spiel, für einen Nachmittag ohne Zeit, war es uns möglich.
Seitdem bleibt Erinnerung.
Fabian Heublein aus Leipzig, Künstler und Fotograf
3 | Verstellt
Sankt Peter Ording
Vieles im Leben haben wir selbst in der Hand. Häufiger als angenommen auch das Erschaffen und Gestalten unseres eigenen, individuellen Paradieses. Warum erkennen
wir dies nicht als kostbares Geschenk, sondern wählen die Begrenzung anstelle der Weitsicht? Versperren uns wissentlich wunderbare Horizonte, anstatt sie mit allen
Sinnen zu genießen? Vertreiben uns selbst aus einem Paradies von Raum, Grenzen-
losigkeit, Schönheit und Natur? Was wird uns Menschen noch alles einfallen, uns
den Blick aufs Wesentliche zu verbauen? Welche Prioritäten setzen wir zukünftig?
Sibylle Braune aus Gerbrunn, Fotografin aus Leidenschaft
4 | Little Paradies
Blechturmgasse Wien
Das Paradies ist weniger ein tatsächlich erreichbarer Ort oder Zustand als
vielmehr die Sehnsucht danach. Nach der griechischen Übersetzung des Wortes Paradeisos ist das Paradies außerdem ein Garten. Bringt man beide zusammen,
ist das Paradies die Sehnsucht nach dem Garten. Zwei Fenster in einem tristen,
grauen Gemeindebau in Wien und eine einsame Topfpflanze. Die Sehnsucht nach
ein wenig Grün, Natur und Leben. Die Sehnsucht kann sehr groß und das Paradies
sehr klein sein... Die Bewohnerin hinter den beiden Fenstern ist inzwischen
verstorben, die Fensterbänke bleiben seitdem leer.
Beate Bernstetter aus Wasserburg am Inn, Marketing-Referentin
5 | Betonwüste
Heuchelhof, Würzburg
Dort wo einst üppige Wälder, Wiesen und Felder lagen,verstellt heute triste Zweckarchitektur den Blick. Die Natur wird reduziert auf einen winzigen Vorgarten-
baum, ein Schatten dessen was dort früher einmal wuchs. Trotz aller augenschein-
lichen Tristesse, vermutet man doch hinter den nächtlichen Fenstern Heimat und Geborgenheit – ein privates Paradies.
Michaela Ertelt aus Würzburg, Fotografin
6 | Ein Paradies versinkt
San Marco Plaza, Venedig
Regelmäßig werden die Wege und Gassen von Venedig durch Hochwasser, das
durch Wind und Gezeiten in die Lagune drückt, überschwemmt. Mit Laufstegen
versucht die Stadtverwaltung die Wege begehbar zu halten. Das Hochwasser greift
dabei zunehmend die Substanz vieler Gebäude an und macht sie unbewohnbar.
Davon zeugen die vielen leerstehenden Palazzi und Stadthäuser mit abgefallenem
Verputz. Wenn es nicht gelingt, den fortschreitendem Verfall aufzuhalten, wird
Venedig in Zukunft ein versunkenes “Paradise Lost“ sein.
Helmut Schäff aus Kitzingen, Rentner
7 | Jugendwahn
Montreal, Kanada
Die zeitgenössische Vorstellung vom Paradies geht Hand in Hand mit der
Sehnsucht nach ewiger Jugend, Schönheit und Virilität. Was bleib wenn sich
Jugend und Schönheit allmählich verabschieden? Resignation oder womöglich
ein paradiesischer Zustand: sich selbst genug zu sein.
Barbara Wachter aus Kitzingen, Rentnerin, Fotografin, Schwimmtrainerin
8 | Wirtshausparadiese
Die Krone in Hüttenheim
Das Dorfwirtshaus: ein kleines Paradies für die Flucht aus dem Alltag sieht
einer ungewissen Zukunft entgegen. Einst eine wichtige Institution: als Ort des
kulturellen und politischen Lebens, als Treffpunkt für Jung und Alt, als Austausch-
und Informationsbörse, als Bühne für Feste und das örtliche Geschehen, als Ein-
richtung mit sozialer Kontrollfunktion. Ohne Wirtshaus hat das Dorf sein Zentrum
verloren, seine Seele, sein Herz und auch die letzte öffentliche Einrichtung.
Auf Hüte und Mäntel warten die Garderobenhaken nun vergebens.
Heike Spiegel aus Obervolkach, Technische Angestellte
9 | Aborigini
Sydney, Australien
Ein Aborigini steht in ursprünglichem Gewand und Körperbemalung vor der Kulisse
der modernen Welt. Ein Verlorener im ehemals paradiesischen Land seiner Vorfahren. Soeben hat er am nur wenige Schritte entfernten Opernhaus von Sydney mit einer Tanztruppe alte Stammesrituale vor Touristen und Schaulustigen aufgeführt. Ein
Abzug der Fotoarbeit ist in einem Cafe in Sydney zu besichtigen, das sich für die
Belange der Aborigini einsetzt.
Anja Meixner aus Würzburg und Sydney, Künstlerin und Anthropologin
10 | Hochwasser
Nordheim
Im 19. Jahrhundert hat der Mensch den Main wie auch viele andere Flüsse umfang-
reich kanalisiert und begradigt, um auch bei jahreszeitlich bedingter Wasserknappheit
eine Fahrrinne mit genügender Wassertiefe für die Schifffahrt zu haben. Weitreichende Überschwemmungsgebiete sind verloren gegangen und wurden versiegelt. Bei Hoch-
wasser kommt das durch den Menschen geschaffene Paradies allzu oft an seine
Grenzen und wird zerstört. Welches Paradies verträgt der Mensch und die Natur?
Dr. Ekkehard Römmelt aus Schwanfeld, Allgemeinarzt
11 | Eisbärengehege
Tierpark Sendai, Japan
In dem Foto ist eine künstlich errichtete Natur abgebildet. Eisschollen wurden aus
Beton nachgebildet und angestrichen. Im Zentrum steht eine Behausung. Das Tier,
für welches ein Lebensraum inszeniert wurde, entzieht sich seiner Repräsentation.
Wir schauen auf eine leere Bühne. Ein Jahr vor der Tsunamikatastrophe mit ihren
direkten Auswirkungen auf die japanische Präfektur Sendai wurde diese Szene im
Yagiyama Zoological Park als Teil einer Dokumentation von Tiergehegen fotografiert,
die als Untersuchung der Vorstellung von Natur und ihrer kulturellen Reproduktion
angelegt ist. Der Ausgangspunkt für den Bezug zum Thema der Ausstellung im
Schloßpark Schwanberg folgt der Idee, dass die Vorstellung von einem Paradies
konstruiert wird. Inwiefern der Mensch sich Natur aneignen und herstellen kann
und wer letztendlich daran partizipiert, wird in Frage gestellt.
Micha Otto aus Berlin und London, Freischaffender Künstler
12 | Paradise lost
Collage
… das verlorene Paradies. Garten Eden, das war die Erde, bevor sie sich der Mensch untertan machte. In der kurzen Geschichte der Menschheit haben wir es geschafft,
aus diesem wunderbaren Ort, einen Ort der Zerstörung und der Kriege zu machen.
Der Mensch hält die Erde, seine wichtigste Grundlage in Händen. Was aber, wenn
dieser Ort, der Leben schenkt, vom Menschen selbst zerstört wird und die nachfol-
genden Generationen lediglich einen Scherbenhaufen vorfinden? Es liegt in unseren
Händen, diese Welt und dieses Paradies zu schützen und zu erhalten.
Michaela Ertelt aus Würzburg, Fotografin
13 | Park Fiction
Hamburg
Die Arbeit “Park Fiction“ ist Teil des 2008 realisierten Projektes
“Denk ich an Deutschland...“ , bei dem der Fotograf durch die Bundesrepublik
reiste und Orte und Landschaften, die das Land in dokumentarischen Bildern,
wie eine Bestandsaufnahme beschreiben, porträtierte. “Park Fiction“ ist eine
Freifläche am Hafenrand von St. Pauli: eine Ausichtsterrasse auf dem Dach
einer Turnhalle mit künstlichen Palmen aus Stahl und einer geschwungenen
Rasenfläche - eine Insel in der Nähe der Elbe. Im Hintergrung ist der Hamburger
Hafen zu erkennen. Die Insel ist ein Sinnbild für die Sehnsucht nach Ferne,
von hier aus könnte man z.B. zu einer Südseeinsel aufbrechen, mit ihren
paradiesischen Zuständen.
Mathias Bozellec aus Essen, Freier Fotograf
14 | Buybuy Paradise
Salzwedel
Die bildlichen Vorstellungen vom Paradies stammen aus der Genesis, aus Inkuna-
beln und aus der frühen abendländischen Malerei und dienten im Verlauf der auch
als metaphysische Grundideen für die Anlage herrschaftlicher Parks – wie der
Schloßpark Schwanberg. Heute ist das Paradies eine Metapher - aber wofür steht
sie? Das Paradisische und die Idee davon ist käuflich geworden. Hübsch verpackt
in buntes Plastik endet es im Entsorgungs“park“ oder in der Müllverbrennungsanlage.
Aus dem Paradies sind wir nicht vertrieben worden, wir sind selbst gegangen.
Buybuy Paradise...
Hans Schlimbach aus Gartow / Wendland, Buchgestalter und Fotograf
15 | Ohne Titel
Vogelsberg
Sören Gohle aus Nürnberg, Student der Bildenden Künste Nürnberg
16 | Garten Eden – Paradise lost(?)
Marktsteft
Europa, scheinbar unbegrenzt im politischen Sinn sowie in den Köpfen, bietet
ideologischen Gedanken und separatistischem Handeln immer häufiger akzeptier-
ten Raum. Nationalistisches Gedankengut macht sich breit aus Antisemitismus,
Egoismus, Populismus, Machtstreben, Unwissenheit. Diese Entwicklungen
unterwandern das zerbrechliche Gebäude. Mein Paradies Europa zerbricht!
Thomas Siegmund aus Marktsteft, Fachkrankenpfleger für Intensiv-Anästhesiologie
17 | Tomate / Paradeiser
Lager im Atlierhaus “ALTES GUT“, Herbstadt
Die Tomate wird unreif geerntet, damit sie den Transport übersteht. Ziel der
Züchtung ist es, dass sie länger frisch aussieht (Antimatsch-Tomate). Dabei geht
bei den Tomaten, die im Handel angeboten werden, der typische Geschmack
verloren. Dieser Verlust ist eine weitere Vertreibung aus dem Paradies. Denn das
Paradies ist kein Ort, sondern ein Zustand.
Christine Wehe-Bamberger aus Bad Königshofen, Freischaffende Künstlerin
18 | Elbfrühling
Vierlanden
Mein Wohn- und Geburtsort Vierlanden ist direkt an der Elbe gelegen, unweit der
Hamburger Innenstadt und war für mich schon immer ein Paradies. Es gibt hier
schöne Strände und verwilderte Ecken, allerdings auch ein Müllproblem. Elbfrüh-
ling ist Teil eines Elbbilder-Zyklus zu den Vierjahreszeiten, der neben der Schön-
heit der Flusslandschaft, die Fragilität des Gleichgewichts zwischen Mensch und
Natur in den Fokus rückt.
Andrea Cziesso aus Hamburg, Mediengestalterin
19 | Vergänglichkeit
Ivenack
Bereits in der Romantik symbolisierte die Eiche als “Lebensbaum“ das Prinzip
der Ewigkeit und wurde als Gleichnis für Treue und Beständigkeit verstanden.
Bei der abgebildeten Eiche handelt es sich um eine von fünf noch erhaltenen “tausendjährigen“ Eichen des Tiergarten Ivenack, die mittlerweile als nationales Naturmonument geführt werden. Sie blieben vor dem Abholzen geschützt, weil
sie zur Anlage eines 1710 eingerichteten Wildgeheges gehörten. Ein kleiner Aus-
schnitt des Garten Edens scheint erhalten.
Andre van Uehm aus Woserin, Bildender Künstler
20 | Ökotechnik
Bahnüberführung Hellmitzheim
Fast alle unserer wirklichen Lebensnotwendigkeiten und vermeintlichen
Annehmlichkeiten brauchen Energie; viel Energie. Zu ihrer Erzeugung setzen
wir vermehrt auf erneuerbare Energien. Wir bauen riesige Solarenergieanlagen
und Windräder auf unsere Felder. Ob wir uns wirklich mit gutem Gewissen für
die Erhaltung “unseres Paradiese“ einsetzen? Oder doch eher: Paradise lost!
Günther Fischer aus Iphofen- Hellmitzheim, Automatisierungstechniker